Stadtwerke versorgen Universität über Nahwärme- und Nahkältenetz
Im Winter wohlig warm und im Sommer angenehm kühl – so sind es die Studierenden von den Hörsälen, Seminarräumen und Bibliotheken der Universität Bayreuth gewöhnt. Dass es auch so bleibt, dafür sorgen die Stadtwerke Bayreuth, die die Universität über ein Nahwärme- und Nahkältenetz versorgen. Für die notwendige Energie sorgen zwei große Gasbrenner – immerhin 7.500-mal so stark wie ein Camping-Kocher – und mehrere Kältemaschinen auf dem Campus, die in etwa so viel leisten wie 3.500 durchschnittliche Klimageräte. Schon bald unterstützen die Gasbrenner nur noch, erklärt Jürgen Bayer, Geschäftsführer der Stadtwerke Bayreuth. „Wir haben an der Uni Bayreuth ein deutschlandweit einzigartiges Projekt auf die Beine gestellt.“ Rund 5.000 Tonnen CO2 sparen Stadtwerke und Universität dadurch ein – pro Jahr versteht sich.
Darüber freut sich auch Reinhard Schatke, Leiter der Zentralen Technik der Universität Bayreuth: „Das passt genau zum Handlungsfeld Infrastruktur unserer Nachhaltigkeitsstrategie, die wir uns im Rahmen der Green Campus Initiative gesetzt haben: Optimierung des Energiebedarfs durch Einsatz innovativer Technik – mit dem Ziel einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen.“
Ehrgeiziges Projekt
Das ehrgeizige Projekt der Stadtwerke Bayreuth, das am Mittwoch (6. Oktober) den Probebetrieb aufgenommen hat: Zusätzlich zu den Gasbrennern hat das Unternehmen ein großes Blockheizkraftwerk (BHKW) installiert. Das funktioniert wie ein großer Motor, der über einen Generator Strom herstellt, nur dass die dabei entstehende Abwärme ebenfalls genutzt wird. Dadurch wird die im Erdgas enthaltene Energie nahezu vollständig genutzt. „Es hat eine elektrische Leistung von knapp 3,5 Megawatt, was in etwa 45 durchschnittlich motorisierten Autos entspricht“, sagt Jürgen Bayer. „Allein der Anlasser für das BHKW ist so groß wie ein Automotor.“
Zwei große Wärmepumpen
Neben dem BHKW sind zwei große Wärmepumpen installiert worden, die der Luft Wärme entziehen und diese ins Uni-Netz einspeisen – wie ein umgekehrt arbeitender Kühlschrank. Ein weiterer Bestandteil des Projekts ist ein sogenannter Elektrodenkessel, im Prinzip nichts anderes als ein Wasserkocher im XXL-Format. „Der ist dann im Einsatz“, erklärt Bayer, „wenn im Netz zu viel Strom produziert wird, beispielsweise weil Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen mehr Strom liefern, als momentan gebraucht wird.“ Der Elektrodenkessel erhitzt in diesem Fall das Wasser des Nahwärmenetzes der Universität Bayreuth. „So können wir die Energie nutzen. Das ist besser, als beispielsweise Windräder auszuschalten.“
Auch für den Fall, dass mehr Strom im Netz gebraucht wird, als momentan verfügbar ist, kann die Anlage an der Universität helfen: Dann nämlich kann der vom BHKW produzierte Strom direkt ins Stromnetz eingespeist werden und es so stabilisieren. „Damit hilft unsere Anlage gleich bei mehreren Problemen – sie ist eine Art Schweizer Taschenmesser für die Energiewende.“ Damit die Komponenten ideal miteinander harmonieren, vernetzen die Stadtwerke Bayreuth sie mit einer intelligenten Steuerung. So kann jede Komponente automatisch auf Änderungen reagieren und die Stadtwerke können jederzeit nachvollziehen, was gerade passiert und notfalls eingreifen. Durch das Blockheizkraftwerk, die Wärmepumpen, den Elektrodenkessel und die intelligente Vernetzung jener Anlagen entsteht in Bayreuth eines der ersten innovativen Kraft-Wärme-Kopplungs-Systeme (iKWKS) in Deutschland.
Wärmewende in den Fokus nehmen
Besonders mache das iKWKS vor allem das Zusammenspiel aller Anlagenbestandteile, betont der Stadtwerke-Chef. „Die Energiewende ist technisch sehr komplex. Natürlich ist es schön, dass mittlerweile knapp die Hälfte unseres Stroms nachhaltig erzeugt wird. Leider steht uns diese Energie nicht gleichmäßig zur Verfügung. Im Gegenteil: Mal gibt es zu viel und mal gibt es zu wenig davon. Vorreiterkonzepte, wie das unsere, helfen, das Problem zu verringern.“ Und das iKWKS der Universität Bayreuth helfe bei einem oftmals vernachlässigten Thema. „Wir tun als Gesellschaft gut daran, die Wärmewende in den Fokus zu nehmen.“ Denn nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB) wird in Deutschland über die Hälfte der bezogenen Energie als Wärme eingesetzt – um Räume zu heizen, um Wasser zu erwärmen und als Prozesswärme für die Industrie.
Über zwei Drittel dieser für die Wärme benötigte Energie stammt nach wie vor aus fossilen Quellen. „Hier schlummert ein riesiges Potential, wie wir unseren CO2-Ausstoß senken können. Genau das tun wir künftig an der Universität Bayreuth. Da wir unser iKWKS mit einer modernen und voll automatisierten Mess- und Regeltechnik ausgestattet haben, sind wir eines von sehr wenigen Projekten in Deutschland, das die Heizung von Gebäuden in großem Maßstab mit dem Stromnetz koppelt. Projekte wie das unsere bringen die PS der Energiewende auf die Straße. Mittelfristig, da bin ich überzeugt, lässt sich die Universität Bayreuth nicht sinnvoller mit Wärme und Kälte versorgen.“
Stadtwerke zählen zu den bundesweiten Vorreitern
Dass die Stadtwerke Bayreuth bundesweit zu den Vorreitern in puncto iKWKS zählen, ist auch ein Verdienst des Instituts für Energietechnik (IFE) der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden. „Gemeinsam mit dem IFE haben wir uns schon in den vergangenen Jahren daran gemacht, das bestehende Netz der Uni zu optimieren“, erzählt Bayer. „Im Zuge dieser Arbeiten hat sich herausgestellt, dass unsere Anlage für ein iKWKS infrage kommt. Das IFE hat uns dann auch bei den folgenden Schritten intensiv unterstützt – von der Machbarkeitsstudie bis hin zur Interpretation der Förderrichtlinien. Mit Sicherheit wird uns das IFE bei diesem und künftigen Projekt eng begleiten“, betont Bayer.
Der Leiter des IFE, Prof. Dr.-Ing. Markus Brautsch, freut sich ebenfalls über die Entwicklung der Zusammenarbeit: „Zunächst freut es uns, dass unsere Forschungsarbeiten technisch und wirtschaftlich wichtige Impulse bei den Stadtwerken liefern können. Die weitere wissenschaftliche Begleitung des Projektes liefert uns eine wichtige Rückkopplung für den weiteren Technologietransfer.“
Forschung und Praxis eng miteinander verzahnen
Auch den Stadtwerken ist es wichtig, Forschung und Praxis eng miteinander zu verzahnen. „Die Wissenschaftler liefern mit ihrer Arbeit wichtige Erkenntnisse, die wir für den nachhaltigen und wirtschaftlichen Betrieb der Wärme- und Kälteversorgung der gesamten Universität Bayreuth einsetzen können“, betont Jürgen Bayer.
Damit das gelingen kann, arbeiten Stadtwerke Bayreuth, das IFE und das Zentrum für Energietechnik (ZET) der Universität Bayreuth im Rahmen eines Forschungsprojektes zusammen, das vom bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert wird. Ziel ist eine Analyse und Optimierung des Energiesystems im laufenden Betrieb. „In diesem Zusammenhang motiviert es uns Wissenschaftler, wenn die entwickelten Ideen aus Labor und Simulationen auch in großen, realen Systemen Anwendung finden und wir einen Beitrag zum Wissenstransfer zwischen Universität und Industrie leisten können“, stellt Dr.-Ing. Florian Heberle, Geschäftsführer des ZET, heraus.
Fünf Millionen Euro für Innovationsprojekt
Für das Großprojekt iKWKS greifen die Stadtwerke Bayreuth tief in die Tasche: Rund fünf Millionen Euro haben sie in das Innovationsprojekt gesteckt. Geld, das in den Augen von Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger gut angelegt ist: „Fünf Millionen Euro sind viel Geld, allerdings werden die Stadtwerke die Anlage durch die hohe Energieausbeute rentabel betreiben können. Zudem bietet sich hier die einmalige Chance, ein technisches Projekt umzusetzen, das es in der Art in ganz Deutschland noch nicht gibt. Von Bayreuth geht mit dem heutigen Start des Probebetriebs ein Signal aus, das in ganz Deutschland wahrgenommen werden wird und ich hoffe, dass wir im Sinne der Energie- und Wärmewende zahlreiche Nachahmer finden werden.“
Quelle: Stadtwerke Bayreuth