Lokale Strategie 2020-2024: „Bayreuths Kinderstube der Demokratie“
Förderkonzept im Fördergebiet Stadt Bayreuth
„Demokratie ist nicht nur eine Regierungsform, sondern vor allem eine spezifische Form des Zusammenlebens“ (John Dewey). Dieses Zusammenleben muss von klein auf erlernt sein. Wir, die Partnerschaft für Demokratie Bayreuth, begreifen daher junge Menschen als Mitgestaltende von Gesellschaft und zielen in und mit unserer lokalen Strategie auf die Stärkung, Selbstvertretung, Artikulation und Handlungsfähigkeit unserer Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Wir fordern, Politik muss die Lebenswelt der, vor allem jungen Menschen einbeziehen, will sie sie als Wähler und als Demokratiefundament retten.
„Kinderstube der Demokratie“
Wir sehen die Erfordernis uns der Prävention widmen zu müssen. Wir wollen dafür den ganzheitlichen Zyklus der Demokratisierung des Subjekts betrachten. Unsere Ziele liegen in dem Aufbau einer Generation von „democratical natives“ in der postdemokratischen Gesellschaft, auf die wir aktuell Gefahr laufen zuzusteuern.
Wir sind davon überzeugt, dass wir mit den profunden vorhandenen Erfahrungen und Ressourcen in der Partnerschaft für Demokratie kompetent den ganzheitlichen Lebenszyklus einer Demokratiebildung von klein auf bis ins Erwachsenenleben erfassen und gestalten können. Daher haben wir unsere lokale Strategie auf drei Säulen aufgebaut.
I. Herausforderung frühkindliche Demokratiebildung
Demokratische Bildung ist eine zentrale Aufgabe, durch die Kinder und Jugendliche bereits in jungen Jahren Vorzüge, Leistungen und Chancen der Demokratie erfahren und erkennen sollen. Demokratische Grundwerte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Vielfalt sowie Toleranz dürfen niemals zur Disposition stehen, auch nicht in Zeiten eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels. Demokratisches Handeln ist nicht kinderleicht, mitunter unbequem, unangenehm und anstrengend. Demokratiebildung besteht aus dem Erlernen von Selbstbestimmung, Beteiligung und Mitbestimmung, Einüben sozialen Handelns, Erlernen von Multiperspektivität, Vertretung von Interessen von Minderheiten, Aushalten von Frustrationen, Stärkung über Erfolge durch Zugehörigkeit in Gruppen, uvm. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Partizipation in der frühkindlichen (Demokratie-) Erziehung, ist die entsprechende (pädagogische) Haltung. Partizipation von Kindern beginnt in den Köpfen der Erwachsenen.
Kinder müssen die Option der Freiwilligkeit in Bezug auf Beteiligung spüren, nur so kann Spaß und Freude am Tun zustande kommen.
Erwachsene sollten in der Lage sein, Gedanken und Interessen von Kindern zu verstehen und sie ermutigen ihre eigenen Gedanken zu formulieren. Erwachsene und Kinder haben unterschiedliche Bedürfnisse, die sie auch unterschiedlich zum Ausdruck bringen, d.h. es müssen Kommunikationsformen gefunden werden, so dass sich beide Seiten auch verstehen können. So können beispielsweise Kinder im Rahmen von projektorientierten Modulen an der Gestaltung ihrer eigenen und unmittelbaren Lebenswelt beteiligt werden.
⭢ Wir möchten gezielt Projekte fördern, die in dem Handlungsfeld frühkindliche und kindliche Demokratiebildung für 3-12 Jährige, an den Herausforderungen arbeiten und dazu beitragen eine Generation von „democratical natives“ heranzubilden. Dazu gehört die Förderung und Stärkung des Subjekts, als auch die fachliche Weiterentwicklung der Fachkräfte.
An folgenden Beispielen soll die Förderdimension deutlich werden:
- Mitentscheidungsrechte gezielt und spielerisch im Alltag der Institutionen wie Kita, Hort und Grundschule ermöglichen und einüben
- Projekte und Aktivitäten, die die Übernahme von Verantwortung, Empathie, Solidarität, Multiperspektivität, Interessensvertretung für Minderheiten o.Ä. entwickeln und fördern
- Verlässliche Beteiligungsstrukturen einrichten
- Im Zeitalter des post-traditionellen Lebenslaufs Stärkung des Kindes in Bezug auf
Toleranzentwicklung, Diversität der Gesellschaft als Normalität wahrnehmen, Autonomietraining, Anerkennung der Sichtweisen anderer, etc. - Projekte, die die Fachkräfte in ihrer Haltung schulen: Kindern Autonomie zuerkennen, eigene Erfahrungen relativieren lernen etc.
II. Herausforderung Mikropolitik für Jugendliche und junge Erwachsene
Wir schließen uns dem 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung an, der den Stellenwert politischer Bildung explizit hervorhebt. Er fordert die Stärkung einer nachhaltigen politischen Bildung, die in die Alltagspraxis, der Jugendlichen, ihren Medienalltag, ihre Lebenslagen und entsprechenden Institutionen eingebunden ist. Angesichts der Entwicklungen in Deutschland, durch die das System der repräsentativen Demokratie zunehmend in Frage gestellt wird, ist die schulische und außerschulische politische Bildung und demokratische Erziehung mehr denn je gefragt.
Partizipation ist eines der Grundprinzipien in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und ihr wesentliches Potential für die politische Bildung. Gerade junge Menschen sollen die Chance haben und bekommen, sich eine Meinung zu bilden, sich einzubringen und Demokratie zu ihrem Thema zu machen. Es braucht Methoden und Projekte, deren Ziel es sein muss, junge Menschen zu stärken, ihnen Orientierung zu geben und sie in ihrer Entwicklung zu selbstbestimmten, demokratisch und verantwortungsbewusst handelnden Bürger zu befähigen. Um die sozialen Kompetenzen der jungen Menschen zu stärken, ist es besonders wichtig sie in den politischen Diskurs einzubinden, ihre Meinungen und Positionen zu hören und ihnen das Vertrauen zu schenken, damit sie politische Prozesse mitgestalten können.
In diesem Zusammenhang gewinnt politische Bildung wieder an Bedeutung, um entsprechend Wissen über die politischen Strukturen unseres Gemeinwesens und Kenntnisse über die Wege politischer Entscheidungen in einer parlamentarischen Demokratie zu vermitteln. Weiterhin soll es darum gehen an den Interessen, Erfahrungen und den Lebenswelten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen anzuknüpfen und ihnen Möglichkeiten aufzeigen sich selbst zu Wort zu melden und sich in das gesellschaftliche und politische Geschehen einzumischen. Der Partnerschaft für Demokratie Bayreuth ist es ein Anliegen jungen Menschen Plattformen zu schaffen, in denen sie sich erproben, Ausdrucksmöglichkeiten finden und sich in Kooperation mit anderen engagieren können. Demokratie lernen heißt Demokratie leben.
Jugendliche, die bereits früh in politische Entscheidungen einbezogen und ernst genommen werden, erleben Politik als positives Handlungsfeld. Durch die Beschäftigung mit jugendpolitischen Themen und das Erfahren von Selbstwirksamkeit werden junge Menschen auch für kommunal- und übergeordnete politische Themen sensibilisiert. Ziel soll sein, nicht nur über Wissensvermittlung, sondern auch über Projektarbeit, die demokratischen Regulationsmechanismen in unserer Gesellschaft zu erhöhen und eine demokratische Grundhaltung und Werteorientierung bei möglichst vielen Jugendlichen zu stärken.
Außerschulische Jugendbildung ist wichtig, damit Jugendliche und junge Erwachsene lernen, sich mit Macht und Herrschaft kritisch auseinanderzusetzen und ein politisches Bewusstsein entwickeln können. Theoretische Wissensvermittlung ist nicht ausreichend, Jugendliche müssen praktisch und außerschulisch erfahren, was gesellschaftliche Partizipation bedeutet. Demzufolge sollten die schulischen und außerschulischen Akteure miteinander kooperieren, um die jungen Menschen dabei zu unterstützen, demokratische Handlungskompetenzen zu erwerben und praktisch zu erproben. Jugendliche sollten sich ohne (Noten) Druck ausprobieren, sie sollten selbst gestalten und mit unterschiedlichen Akteuren kooperieren. Sie lernen dadurch, dass ihr Engagement Wirkung erzielt und erfahren damit Anerkennung. Um politisch wirkungsvoll tätig zu werden bzw. zu sein braucht es auf unterschiedlichen Ebenen einen/eine Kompetenzerwerb bzw. –stärkung. Genannt seien hier die Stärkung des Subjekts und Voraussetzungen, wie zum Beispiel:
- Fachwissen, denn die Themen und Verflechtungen sind zu groß
- Wissen über die politischen Strukturen unseres Gemeinwesens und Kenntnisse über die Wege politischer Entscheidungen in einer parlamentarischen Demokratie
- einen Willen zur Einmischung
- Kooperationskompetenzen
- Kontinuitätskompetenzen
- Kommunikations- und Aushandlungsgeschick
- Frustrationstoleranzen aber auch Erfolgserlebnisse
- Soziale Kompetenzen
- Orientierungsmöglichkeiten an Vorbildern von liberalen, pluralen, freiheitlich-demokratischen und sozialen Werten
- Orte der Begegnung und der Gestaltung von Möglichkeiten
- Orte des Dialogs und der Austauschprozesse
- Orte der Entwicklung von kulturellen, ästhetischen Ausdrucksweisen
- Das positive Erleben von Toleranz, Pluralität, Diversität
⭢ Wir möchten gezielt Projekte fördern, die die politische Bildung junger Menschen auf möglichst vielen Ebenen erreicht. Dabei stehen zwei Dimensionen im Vordergrund: Stärkung des Subjekts, im oben beschriebenen Sinn und Förderung der Partizipation in und mit außerschulischen Organisationen, insbesondere
- Projekte, die den Weg zwischen der politischen Klasse und den Jugendlichen verkürzen
- Projekte, die unmittelbare politische Mitbestimmung und Teilhabe fördern
- Projekte, die mit und in (offenen) Organisationen der außerschulischen nonformalen Bildung mikropolitische Prozesse aufzeigen, in dem sie Rollen- Autoritäts- und Kommunikationsstrukturen entwickeln, aufzeigen, Machtgewinnungsprozesse bzw. Koalitionsbildungsprozesse spiegeln und trainieren und dadurch die Mitbestimmung junger Menschen in Organisationen zugänglich macht und erleichtert
- Projekte, die kollektives Handeln im Sinne tagtäglicher Politik, in oder ohne Organisationen durchführt
- Projekte mit Kindern und Jugendlichen, in denen die Übernahme von Verantwortung, Empathie, Solidarität und Anteilnahme entwickelt werden und die die Übernahme bürgerschaftlichen oder zivilgesellschaftlichen Engagements fördern und Formen freiwilligen und sozialen Handelns für Andere fördern
III. Herausforderung Stärkung der Multiplikator*innen
Die Idee der Zivilgesellschaft verstehen wir in Abgrenzung zum Modell des Staates als ideale Lebensweise freier demokratischer Bürger. Als normatives Konzept steht sie für die Eigeninitiative der Bürger und Bürgerinnen, für Orientierung am Gemeinwohl, für freie Meinungsbildung und Akzeptanz von Vielfalt. Auf der Ebene der Klientel und der Teilnehmenden begegnen Fachkräfte sozialer Einrichtungen Ängsten und Vorurteilen. Es ist in diesen Tagen hinlänglich bekannt, wie sich diese Emotionen in simplen populistischen bis demagogischen Äußerungen Gehör verschaffen bzw. wie diese Ängste und Emotionen von rechten Demagogen für eigene Zwecke genutzt und damit Zivilgesellschaft für „unzivile“ Bestrebungen und Aktivitäten missbraucht werden kann. Ebenso kann auch der Begriff „politische Bildung“ grundsätzlich für ausgrenzende Ideologien missbraucht werden. Darüber hinaus bestehen unzivile Bestrebungen darin gerade diese Ängste weiter zu schüren. Mit Emotionen wird Politik gemacht. Es ist salonfähig geworden einfachen Antworten von reduzierter Komplexität den Vorzug zu geben, diese auch zu äußern und eine reflektierte, auf Wissen basierende Auseinandersetzung zu vermeiden. In geführten Interviews wurde Hilflosigkeit von Fachkräften deutlich dieser „Parolerei“ aus den Reihen ihrer Klienten etwas entgegen halten zu können.
Die Partnerschaft für Demokratie (PfD) Bayreuth sieht eine Entwicklungsmöglichkeit in einer demokratischen, auf Emotionen gründenden politischen Bildung und Demokratiebildung, die positive Gefühle im zivilen Engagement für ein vielfältiges Miteinander kultiviert und ihr Impulse geben kann. Die PfD Bayreuth setzt sich das Ziel politische Bildung im Sinne von „democratical citizenship“, als Weiterführung des Ansatzes der Demokratiebildung zu „democratical natives“, zu verstehen.
⭢ Wir wollen konkrete Projekte und Maßnahmen fördern, die politisches Lernen im, für und durch Engagement für demokratische Bürgerschaft fördern. Insbesondere sollen Projektansätze entwickelt werden, die
- Fachkräfte in Workshops im Umgang mit geäußerten irrationalen, emotionalen Ängsten und Weltuntergangsszenarien ihrer Klientel stärkt
- Fachkräften Argumentationshilfen gegen menschengruppenfeindlichen Äußerungen geben
- Bewusstsein für eine auf positiven Emotionen gründende Demokratiebildung entwickeln
- Zivilgesellschaftliches Engagement im Netz, oder mit, durch digitale Medien entwickelt und durchführen
- Hindernisse die das Engagement hemmen, müssen angesprochen werden und konkrete Vorschläge zu einer Engagement fördernden Politik sollen aufgezeigt werden
- Neue Gruppen Ehrenamtlicher gewinnen
Ziel – Blühende Demokratielandschaft Bayreuth
Die Entwicklung eines demokratischen Bewusstseins und der Erwerb demokratischer Handlungskompetenz sind zentrale Ziele von Demokratiebildung. Nachhaltige Prävention gegenüber Gewalt und extremistischen Gefährdungen und Politikverdrossenheit wird dadurch erreicht, dass Demokratiebildung erlebbar gestaltet und den Kindern und Jugendlichen sowie den Erwachsenen eine aktive Mitwirkung ermöglicht wird. Eine demokratische Gesellschaft couragierter Menschen existiert nicht von selbst, sondern braucht Voraussetzungen, die eine positive Entwicklung in der Gesellschaft dauerhaft begünstigen und systematisch stärken.
Wir fördern Ihre Projekte, die diese Ziele unterstützen helfen!
Tragen auch Sie dazu bei aus unserer Stadt Bayreuth eine blühende Demokratielandschaft werden zu lassen.
Sie haben eine Projektidee? Dann kontaktieren Sie uns:
Demokratie leben! Partnerschaft für Demokratie Bayreuth
Stadt Bayreuth
Federführendes Amt Demokratie leben!
Manuela Solley
manuela.solley@stadt.bayreuth.de
Telefon 0921 25-1119
Schoko e.V.
Koordinierungs- und Fachstelle
Kerstin Guthmann
demokratie@schoko-bayreuth.de
Telefon 0151 70603652