Wole Soyinka
Wole Soyinka wurde 1934 in Nigeria geboren. Nach dem Studium der Literaturwissenschaften in den 1950er Jahren, zunächst in Nigeria, später in England, wirkte er in beiden Ländern als Dozent für Englische Literatur und Theaterwissenschaften. Schon als junger Mann gehörte er in den 1960er Jahren zu den führenden Intellektuellen und kritischen Kulturschaffenden seines Landes, die sich in den schwierigen Prozessen der nigerianischen Staatenbildung nicht verbiegen ließen, sondern kompromisslos für Meinungsfreiheit eintraten und sich mit Einsatz ihres Lebens auch politisch engagierten. Er steht damit, zusammen mit einigen anderen afrikanischen Kulturschaffenden, in ganz herausragender Weise für Integrität, Humanität und Toleranz.
Integrationsfigur afrikanischer Literatur
Seit den 1960er Jahren ist Soyinka mit Ulli Beier befreundet, dem Gründungsdirektor des Bayreuther afrikanischen Kunst- und Kulturzentrums, des Iwalewahauses. Nicht zuletzt durch die gemeinsame Arbeit mit Beier wurde Soyinka zur Integrationsfigur afrikanischer anglophoner Literatur und Kunst. Zusammen mit einigen anderen Literaten ist er in seiner künstlerischen Arbeit als minstrel zu sehen, eine Art ‚Narrenfigur’, die den Herrschenden den Spiegel vorhält und die Pflicht hat, die Wahrheit zu sagen und für die Menschenrechte einzutreten.
Mehrfach zu Gast in Bayreuth
Schon in den 1980er Jahren war Soyinka mehrfach in Bayreuth im Iwalewa-Haus zu Gast und sorgte dafür, dass der Name Bayreuths seit dieser Zeit in der anglophonen afrikanischen Kulturlandschaft einen hervorragenden Klang hat, mit dem in Europa nur wenige sehr viel größere Städte, etwa Berlin und London, konkurrieren können. In der gemeinsamen Arbeit mit Ulli Beier wurde Soyinka zu einem der Vorreiter der Idee, dass es auch in Afrika so etwas wie „Weltliteratur“ gibt. Diese Entwicklung stieß ein weltweit wachsendes Interesse an afrikanischer Literatur seit den 1970er Jahren an. Soyinka selbst wurde für diese Arbeit 1986 mit dem Literatur-Nobelpreis geehrt.
Zwischen 1965 und 1969 war Soyinka, nicht zuletzt aufgrund seines Eintretens für einen Waffenstillstand im Biafra-Krieg, in Nigeria mehrfach in Haft. Anschließend musste er sein Land verlassen und lebte für einige Jahre im europäischen Exil. Nach Ende der Diktatur kehrte er 1975 nach Nigeria zurück und lehrte vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Ile-Ife. In der Zeit der erneuten Diktatur in Nigeria unter General Abacha ging Soyinka in den 1990er Jahren erneut ins Exil und lebte auch für einige Zeit in Deutschland, was seine innere Verbundenheit mit diesem Land erklärt.
Die Verleihung des Markgräfin Wilhelmine-Preises unterstreicht die Gültigkeit der von der Namensgeberin im Austausch mit den führenden Aufklärern ihrer Zeit vertretenen Werte und Zielsetzungen, die heutzutage nicht mehr nur „europäische“ Werte sind, sondern von Vertreterinnen und Vertretern anderer Kulturräume auf ganz eigene Weise neu gefüllt und dadurch universalisiert wurden. Die Stadt Bayreuth setzt damit ein Zeichen für Weltoffenheit und kritische Reflexion in der Auseinandersetzung mit Kunst, Kultur und Politik. Wole Soyinka ist mit seiner künstlerischen Qualität, aber auch seiner politischen Geradlinigkeit ein würdiges Vorbild für Humanität und Toleranz in einer globalisierten Weltgemeinschaft.